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Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität

Steckbrief

 Aktueller Stand (14.05.2021)
 
Der Hatespeech-Gesetzesentwurf befand sich zuletzt in einer Überarbeitung, weil der Bundespräsident ihn wegen verfassungsrechtlicher Bedenken bezüglich der Bestandsdatenauskunft abgelehnt hatte. Diese wurde nun neu geregelt: Nutzungsdaten dürfen nur noch für die Verfolgung von Straftaten benutzt werden, nicht zur Verfolgung “weniger schwerwiegender Ordnungswidrigkeiten”. Die Herausgabe von Passwörtern soll nur noch bei besonders schweren Straftaten erwogen werden und braucht einen richterlichen Beschluss. Zudem sollen Posts dieser Art nicht nur gelöscht, sondern auch dem BKA gemeldet werden. Anrufe und E-Mails wurden von den Bestandsdaten ausgenommen.
Das so überarbeitete Gesetz hat der Bundespräsident am 30.03.2021 ausgefertigt und es konnte am 03.04.2021 in Kraft treten.

• Twitter, Facebook, Instagram etc. sollen potenziell
  strafbare Inhalte mitsamt den Verfasser-Daten (Adresse,
  IP, Name, Wohnort, Geburtsdatum) zu
  Untersuchungszwecken an das Bundeskriminalamt
  weiterleiten

 

• Kriminelle, rassistische, menschenfeindliche oder
  gewaltverherrlichende Äußerungen sollen zeitnah aus dem
  Internet entfernt werden und Verfasser zur Rechenschaft
  gezogen werden

Gefahren

Zunächst einmal kann die überhöhte Vorsicht zur vorübergehenden oder gar endgültigen  Blockade von legalen und zulässigen Äußerungen und Inhalten führen, sodass Satire und andere humoristische oder auch journalistische  Elemente angegriffen werden.

Darüber hinaus sind diverse Formulierungen des Gesetzesentwurfs unpräzise ausgeführt. Das lässt die berechtigte Sorge darüber aufkeimen, dass künftig weit mehr Inhalte den zuständigen Behörden gemeldet werden, als es notwendig wäre. Dies kann zu einer enormen Überlastung des Polizeiapparates führen.
Wissenschaftliche Hintergründe gibt es hierbei keine. Eine verstärkt empfundene Wahrnehmung von Bedrohung und Beleidigungen seitens der Öffentlichkeit wird ohne fundierte, empirische Grundlage und wissenschaftlicher Quelle als Handlungsanlass genommen. Über die kausalen Auswirkungen dieses Gesetzesentwurfs ist dementsprechend nichts bekannt.
 
Auch der freizügige Umgang mit persönlichen Daten ist ein herber Kritikpunkt. Nach der Installation der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist eine solche Handhabe äußerst fragwürdig. Eindeutige Löschfristen für die erhaltenen Daten existieren aktuell nicht.
Werden sensibelste Daten der Nutzer bei jeder Meldung sofort an das BKA übertragen, so öffnet das Tür und Tor für den Missbrauch sowohl seitens der Beamten als auch seitens der Nutzer (Stichwort Swatting).

Weitere Informationen

Der Entwurf wurde in mehreren Instanzen und Sitzungen der deutschen Gesetzgebung ausgearbeitet und konnte diese auch mitunter durch die Zusage des Bundestags passieren. Erst in letzter Instanz hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Gesetzesentwurf abgelehnt und nicht unterschrieben. Danach befand sich der Entwurf wieder in Verhandlung. Angestrebt wurde ein “Reparaturgesetz”, welches die verfassungswidrigen Elemente korrigieren soll. Es ist einmalig in der Geschichte der BRD, dass ein durch den Bundespräsidenten abgelehntes Gesetz nicht wieder zurück an den Schreibtisch ging sondern durch ein Änderungsgesetz repariert wurde. 
Zitate
 
Dies ist ein weiteres Digitalgesetz der Bundesregierung, das sich in eine längere Geschichte von Fehltritten in diesem Bereich einreiht. Gerade nachdem Corona die Bedeutung der Digitalisierung doch deutlich gemacht hat, ist es unverständlich, warum Digitalexperten schon wieder ignoriert werden“ – Matthias Wahl, Präsident des Bundesverbandes der digitalen Wirtschaft (BVDW) 2020
 
Der Entwurf enthält erhebliche Eingriffe in Grundrechteder Bürgerinnen und Bürger. Es ist zweifelhaft, ob diese in jeder Hinsicht erforderlich und damit verhältnismäßig sind. Bereits die Grundkonzeptionen der Meldepflicht und der Rolle des Bundeskriminalamtes (BKA) werfen erhebliche Fragen auf.” – Ulrich Kelber 2020
https://www.bfdi.bund.de/DE/Infothek/Transparenz/Stellungnahmen/2020/Stellungnahme_Gesetz_Bek%C3%A4mpfung_Hasskriminalit%C3%A4t.html?nn=12818400