Digital Services Act & Digital Markets Act
Eine EU-Verordnung (EU-weites Gesetz) zu digitalen Diensten und digitalen Märkten
Steckbrief
Aktueller Stand (Oktober 2021):
Am 15.12.2020 hat die Kommission ihren ersten Vorschlag für die zwei geplanten Verordnungen veröffentlicht. Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten werden diesen Vorschlag im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens erörtern. Das wird noch bis ca. 2022 oder 2023 dauern. Falls der endgültige Text verabschiedet wird, gilt er unmittelbar in der gesamten Europäischen Union.
Ziele:
• Erneuerung der veralteten europäischen e-Commerce-Richtlinie
von 2000
• Verringerung der Macht großer Online-Plattformen und eine
europaweit einheitliche Plattformregulierung
• Schaffen einer sicheren, vorhersehbaren und
vertrauenswürdigen Online-Umgebung, in der die Grundrechte
wirksam geschützt werden
• Vereinheitlichung des digitalen Binnenmarkts in der EU:
Aufstellen von “Ampeln” im chaotisch gewordenen
Online-“Verkehrsnetz”.
Gefahren:
Grundsätzlich wurden sich an vielen Stellen gute und sinnvolle Gedanken gemacht, welche EU-weiten Regeln für Plattformen und Gatekeeper gelten sollen. Im Vergleich zur Urheberrechtsreform und Terreg werden hier die NutzerInnen mit ihren Grundrechten festgeschrieben und hervorgehoben. Dennoch: Der Teufel steckt im Detail. Folgende Gefahren sehen wir:
Das heißt, eine Plattform kann wegen Artikel 17 zu Uploadfiltern verpflichtet wird, obwohl der DSA eine Verpflichtung zu Uploadfiltern explizit ausschließt.
Dies betrifft z.B. das nichtkommerzielle Wikipedia. Wikipedia würde sogar aufgrund seiner Größe als Gatekeeper gelten, wo es nochmal besonders strenge, nicht leistbare Vorschriften gibt.
Der DSA unterscheidet bisher leider nur unzureichend zwischen verschiedenen Arten illegaler Inhalte. Dies verursacht Hindernisse in der praktischen Umsetzung.
Wird ein vermeintlich illegaler Inhalt bei der Meldung ausreichend präzise begründet, haftet die Plattform automatisch, wenn sie den Inhalt nicht sofort entfernt. Das begünstigt automatisierte Sperrungen! Und das ist ausdrücklich erlaubt. Es muss nur transparent gemacht werden.
Schon jetzt gibt es etliche Missbrauchsfälle, wo dort durch Notice and Take Down z.B. kritische Berichterstattung oder andere ungewollte Inhalte aus der Google-Suche entfernt wurden. Darüber hinaus soll die verpflichtende Accountsperrung bei wiederholten Gesetzesverstößen übernommen werden (siehe 3-Strike-Regel bei YouTube und Twitch). Das ist problematisch, wenn Filtersysteme Fehler machen, aber auch, wenn z.B. plötzlich viele Beschwerden über einen Jahre alten Inhalt bei der Plattform eingehen.
Videos zum Thema
Video von Rechtskanzlei WBS
Link zum YouTube Video
Weitere Informationen
- strafbare Hasskommentare
- terroristische Inhalte
- Diskriminierung
- Darstellung sexuellen Kindesmissbrauchs
- unerlaubte Weitergabe privater Bilder
- Online-Stalking
- Verkauf gefälschter Produkte
- Urheberrechtsverletzungen
- Plattformen dürfen nicht zum Einsatz von Uploadfiltern gezwungen werden
- Werden Uploadfilter eingesetzt, muss das öffentlich gemacht werden und Filter dürfen die Meinungsfreiheit nicht verletzen
- Wenn Plattformen einen Inhalt sperren, müssen sie ihre Entscheidung gegenüber den Nutzern begründen
- Die Sperr-Entscheidungen müssen inkl. Informationen über die Meldung in einer zentralen Datenbank gesperrt werden (persönliche Informationen ausgenommen). Eine ähnliche Datenbank existiert bereits auf freiwilliger Basis in den USA und hat zahlreiche Missbrauchsfälle des DMCA bekannt gemacht, weil Journalisten und Forscher darin falsche Sperr-Muster erkannt haben
- Plattformen müssen ihre Nutzer informieren, warum ihnen bestimmte Werbung angezeigt wird
- Online-Marktplätze müssen die Identität aller Händler überprüfen und gegenüber Verbrauchern offenlegen. Es muss eindeutig erkennbar sein, wenn ein Produkt durch einen Dritten angeboten/verkauft wird
- Verbot, exklusiv eigene Anwendungen auf Geräten vorzuinstallieren (Bsp. Google- Suche)
- Verbot, andere Entwickler von Betriebssystemen oder Hardware-Hersteller zu nötigen, ausschließlich die eigenen Programme vorzuinstallieren à Stichwort Interoperabilität
- Erlaubnis für Nutzer, mitgelieferte Apps zu deinstallieren
- Verbot der „Selbstbevorzugung“, z.B. in der eigenen Suchabfrage eigene Dienste/Angebote bevorzugt zu präsentieren
- Verbot, anfallende Daten nur für eigene kommerzielle Aktivitäten zu verwenden -> Info muss auch anderen gewerblichen Nutzern zugänglich gemacht werden
- Nutzer müssen explizit zustimmen, bevor ihre Daten mit denen aus einem anderen Service des Betreibers zusammengeführt werden (z.B. Facebook: Instagram und WhatsApp)
- Methoden zum Erstellen von Verbraucherprofilen müssen jährlich geprüft und die Ergebnisse veröffentlicht werden
- Große Plattformen müssen die Wettbewerbsbehörden frühzeitig über geplante Firmenzusammenschlüsse und Zukäufe sowie technische Partnerschaften informieren
- Verpflichtung, eine öffentlich einsehbare Datenbank aller geschalteten Werbung sowie deren Reichweite und Zielgruppe zu pflegen
- Verpflichtung zu regelmäßigen Risikoanalysen, um z.B. Wahlmanipulationen oder Gefahren für die öffentliche Gesundheit auf der Plattform vorzubeugen
- Teils auch Verpflichtung, der Wissenschaft Einsicht zu gewähren, um diese Risiken zu erforschen
- Verpflichtung, dass jegliches Profiling (sprich: alle maßgeschneiderten empfohlenen Inhalte) durch den Nutzer abschaltbar sein muss
Stellungnahmen
Stellungnahme des Bundesrates
Der Bundesrat befürwortet grundsätzlich die Veränderungen durch die EU-Verordnung. Jedoch verlangt er mehr Spielraum für die einzelnen Länder, durch unterschiedliche Verschärfungen wie auch Lockerungen der Restriktionen. Auch will der Bundesrat, dass die Definition der Arten von Online-Plattformen durch die nationalen Regierungen erfolgt.
Stellungnahme der Verbraucherzentrale
Auch die Verbraucherzentrale befürwortet den Gesetzesvorschlag grundsätzlich. Sie kritisiert, dass die Unterscheidung zwischen "Interaktionsplattformen" und "Transaktionsplattformen" nicht deutlich genug ist und verlangt, die Definitionen eindeutiger zu gestalten.
Stellungnahme des Bundesverband Digitale Wirtschaft
Der BVDW begrüßt die Ziele, einen modernen gesetzlichen Rahmen zu schaffen und den Umgang mit illegalen Inhalten im Internet EU-weit anzugleichen. Kritik äußert er an der nicht eindeutigen Definition der Arten von Plattformen sowie an den schwammigen Definitionen von "illegalen Inhalten" und "Online-Werbung". Auch betrachtet er das vorgeschlagene System als zu komplex.
{skfa}
Zitate:
“Der Entwurf für den Digital Services Act zeigt, dass die Proteste gegen Uploadfilter zu einem echten Sinneswandel in Brüssel geführt haben. Erstmals werden die Nutzer:innen von Plattformen (…) als mündige Teilnehmer:innen an einem demokratischen Diskursraum [betrachtet].”